Gutshof Lietzow, 13. bis 17. Jahrhundert
(Aus der Chronik von Lietzow)
Das Dorf Lietzow ist, wie der Name bezeugt, bereits in slawischer Zeit, also vor dem 13. Jahrhundert, angelegt worden. Das Wort Lietzow, slavisch lisovo, ist abzuleiten von dem Stammwort lis, das ist Fuchs. Lietzow bedeutet also soviel wie „Fuchsort“. Demnach scheint es zur Zeit der Gründung des Ortes zahlreiche Fuchsbauten in der benachbarten Bergen gegeben zu haben. [*]
Von der Geschichte des Dorfes ist aus älterer Zeit so gut wie nichts bekannt. Als wichtig hervorzuheben, dass es außer dem Dorf Lietzow auch einen Gutshof gleichen Namens gegeben hat, welcher zwischen der Fähre und dem Dorf Semper, dem letzteren ziemlich nahe gelegen hat.
Dieses Gehöft Lietzow wird bereits in der Roeskilder Matrikel vom Jahre 1318 angeführt, es hieß damals Litzowe und zahlte acht Scheffel Bischofsroggen. Außerdem war im 14. Jahrhundert eine Clemosine [Red. hochwahrscheinlich vom Lat. Wort für Elemosina bzw. Armenstiftung] fundiert, welche anfangs 20 und seit der Mitte des Jahrhunderts 28 Mark jährlicher Rente eintrug. Inhaber dieser geistlichen Stiftung war um 1350 [Johannes] Litzow, welcher die Einkünfte von 20 auf 28 Mark de son, das ist aus seinem Besitztum erhöhte. Sein Nachfolger war Borchard Swin. Die Patrone der Stiftung waren um das Jahr 1380 Vike Krakevitz, Sum der Aeltere (der auf Jasmund wohnte) und Hermann von Jasmund.
Hiermit scheint es, als ob das Gehöft Lietzow im 14. Jahrhundert von einer gleichnamigen Familie bewohnt war, von welcher ein Mitglied des vorgenannten Johannes, den geistigen Stand ergriffen hatte. Weitere Nachrichten über diese Familie fehlen gänzlich, und es ist daher nicht unmöglich, dass sie mit diesem Johannes Litzow ausgestorben ist.
Im folgenden Jahrhundert befand sich der Gutshof Lietzow im Besitz der Familie Jasmund auf Vorwerk, und nach dieser besaßen ihn die Herren von der Lanken auf Borchtitz, bis es endlich im vorigen Jahrhundert einging. Auf der Mayerschen Karte vom Jahre 1763 ist das Gehöft noch verzeichnet. Inzwischen bestand das am Strande gelegene Dorf Lietzow in alter Weise weiter. Dass es zu dem Gutshof im Abhängigkeitsverhältnis gestand hat, ist wohl als selbstverständlich anzunehmen, doch es fehlt an bestimmteren Nachtrichten darüber.
Im Anfang des 17. Jahrhunderts war das Dorf Lietzow im Besitz der Herren von Jasmund auf Spyker, und als die Herrschaft um die Mitte des 17. Jahrhunderts in den Besitz des Feldmarschalls Grafen Karl Gustav Wrangel überging, hatte auch Lietzow dasselbe Schicksal zu erleiden. […]
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[*] Die Herkunft des Wortes Lietzow ist etwas umstritten. Ebenfalls in der Chronik von Lietzow, ganz am Anfang, steht:
„Der Name Lietzow wird von verschiedenen Forschern, je nachdem ob es sich um Freunde slavischer oder germanischer Deutung handelt, verschieden ausgelegt. Am klarsten und naheliegendsten erschein die, welche jetzt an erster Stelle genannt wird.
Ist sie germanischen Ursprungs
- entspricht sie der Bodengestalt unseres Ortes. Lietz ist eine Einbuchtung des Wassers in Wiese oder Land. Nach der Kartenzeichnung könnte es dreimal Lietz heißen nach den drei gleichen Buchtungen.
- Eine zweite, ebenfalls germanische Deutung würde sich an den jetzt wüsten Ort Lieschow knüpfen. Wir wissen aus den Forschungen Fr. v. Hagenows von Jahre 1827, dass schon in vorgeschichtlicher Zeit hier eine Ansiedlung war. Auf den Höhen bei Semper machte er die ersten Funde. Seine Karte zeigt uns, dass bei Semper ein Ort Lieschow lag. Auch dieses liegt an einer Buchtung des Wassers als Saum Landes. Vielleicht ging die erste Namensnennung auch von hier aus.
- Eine dritte Deutung wäre die, Lietzow als Ort in einer Liete zu bezeichnen. Lieten sind Einschnitte zwischen Hochufern.
Und nun folgen einige slavische Deutungen:
- aus dem Kirchenbuch Sagard Litzo – das Antlitz=slav. heißt Lietzow, Ton auf der letzten Silbe „ow“ und nicht Lietzow, sondern Litzo. Lietzow den Namen „das Antlitz“ zu geben, erschein aber etwas gesucht. Bei den Namensdeutungen muss auch auf den Klang Obacht gegeben werden, denn in erster Zeit wurde der Name durch das Wort überliefert und nicht durch Schrift.
- dass Lietzow seinen Namen von Joh. v. Litzow erhielt, der 1318 erwähnt wird, der den Hof Litzow besaß, ist fraglich. Eher vielleicht umgekehrt.
Die ersten Bewohner unserer Insel, von denen wir geschichtliche Berichte kennen, waren die Rugier, vom Stamm der Ostgoten, nach denen Rugia-Holm, unser Rügen den Namen trägt.
Als die slavische Völkerwelle sich westwärts schob bei der Suche nach besseren Wohn- und Lebensmöglichkeiten, kamen auch Wenden nach Rügen. Dass sie die Germanen völlig verdrängt oder ganz in ihr Volkstum aufgesogen hätten, ist eine heute veraltete Ansicht. Im Gegenteil, die wendische Zeit hat keine wesentliche Kultur hinterlassen, wohl aber ist uns in Gräberfunden und alten Glaubenssymbolen auf Türen und Gräben uraltes germanisches Ahnenerbe erhalten geblieben. Auch die Familien- und Ortsnamen sind zum größten Teil germanischen Ursprungs und von den Wenden durch anhängen der Endsilbe „ow“, „vitz“ als Lehnwort aufgenommen.
So wie unserem Ort. Aus dem Lietz wurde ein Lietzow. Ähnlich liege der Fall in vielen Gegenden Deutschlands.“